Führt Mikrowellen Strahlung zu neurologischen Störungen? Business-Mann sitzt auf Parkbank und fässt sich mit der Hand an die Schläfe, dabei verzieht er das Gesicht.

Havanna-Syndrom

Können Mikrowellenstrahlen zu neurologischen Störungen führen?

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AUTOR/IN
Elisabeth Theodoropoulos
ONLINEFASSUNG
Emily Burkhart

Kopfschmerz und Schwindel: US-Diplomaten und Spione wurden in den vergangenen Jahren offenbar Opfer mysteriöser Attacken. Ist das medizinisch möglich?

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Dass Strahlung zu neurologischen Störungen führen könnte, ist eine oft geäußerte Vermutung. Es gibt aber unterschiedliche Arten von Strahlung - und so manche Strahlung ist sogar nützlich für uns.

Mikrowellenstrahlung kann, ab einer gewissen Intensität, zum Beispiel unser Essen erwärmen. Neben Stromleitungen und Funkwellen zählt Mikrowellenstrahlung zu nicht-ionisierender Strahlung. Ultraschall ist ein Schallphänomen, wird aber ebenfalls zur nicht-ionisierenden Strahlung gezählt. Röntgenstrahlung und radioaktive Stoffe gehören dahingegen zu ionisierender Strahlung.

Elektromagnetische Strahlung und Felder.
Durch Verwendung bestimmter Technologien – zum Beispiel Stromversorgungsnetz und Mobilfunk - entstehen in der Umwelt des Menschen elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder.

Es ist so, dass ionisierende Strahlung biologisches Gewebe schädigen kann, auch schon bei niedrigen Intensitäten. Und bei der nicht-ionisierende Strahlung, da ist es so, sämtliche Wirkungen, die wir kennen, das sind Schwelleneffekte, das bedeutet unterhalb einer Schwelle passiert nix, und oberhalb einer Schwelle sind gewisse Wirkungen möglich.

Kann Mikrowellenstrahlung zu neurologischen Störungen führen?

Die gesundheitlichen Probleme, die in vergangener Zeit bereits bei US-Diplomaten und Spionen festgestellt wurden, werden häufig unter dem Begriff Havanna-Syndrom zusammengefasst.

3D Illustration eines menschlichen körpers, bei welchem der Bereich des Gehirns rot gekennzeichnet ist. Der Mensch fasst sich mit beiden Händen an den Kopf.
Betroffene des vermeintlichen Havanna-Syndroms berichten von Schwindel, Hörstörungen und Kopfschmerzen.

Der Neurologe Peter Berlit sagt:

Die Symptome, die im Zusammenhang mit diesem sogenannten Havanna Syndrom ja benannt werden, sind ja vorwiegend Gleichgewichtssymptome, also Schwindel, Hörstörungen, zum Teil noch Kopfschmerzen, Tinnitus, das sind die Symptome und das ist im Prinzip als Nebenwirkung denkbar. Das Hauptproblem bei dem Krankheitsbild ist, dass wir im Grunde keine richtig objektivierbaren Befunde haben für die Beschwerden, die die Betroffenen beklagen, so dass das aus neurologischer Sicht wirklich sehr schwierig ist, das vernünftig einzuordnen.

Und das ist der Punkt: auch wenn sich immer wieder Betroffene melden, gibt es bisher keine wissenschaftlichen Belege für das Havanna-Syndrom.

Forschende haben Betroffene untersucht und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Dabei wurden Gleichgewichts- und Bluttests durchgeführt und in einer zweiten Studie sogar Hirnscans bei den Betroffenen gemacht. Unterm Strich bleiben die Ergebnisse jedoch ernüchternd: es konnten keine Indizien gefunden werden, die das Syndrom belegen.

Ein Mann wird in ein MRT Gerät geschoben
Forschende konnten bei Tests keine Belege für das Havanna-Syndrom finden.

Forschende vermuten eine alternative Ursache für die Störungen

Jens Kuhne vom Bundesamt für Strahlenschutz sieht jedoch trotzdem eine mögliche Erklärung für die Symptome:

Die Symptome sind real, und man kann eigentlich keine wirkliche physikalische oder Krankheitsursache finden, sodass dann eben auch der Nocebo Effekt eine nicht ganz unplausible Erklärung ist.

Der Nocebo-Effekt ist so etwas wie das Gegenteil vom Placebo-Effekt. Es bedeutet, dass Menschen unangenehme Nebenwirkungen erleben, weil sie erwarten, dass sie auftreten. Diese Symptome sind echt und können das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen.

Nocebo oder Placebo. Eine Hand dreht Würfel auf denen Buchstaben stehen und ändert das Wort Placebo in Nocebo oder umgekehrt.
Die Macht des Nocebo-Effekts: Wenn der Glaube an negative Auswirkungen sie zur Realität werden lässt.

Das Havanna-Syndrom ist neurologisch nicht gut genug untersucht

Auch der Neurologe Peter Berlit sieht den Nocebo Effekt als mögliche Erklärung. Zu den Studien erwähnt er noch:

Das ist erstmal beruhigend und spricht ein bisschen dagegen, dass da ein definiertes Krankheitsbild vorliegt. Einschränkend muss man sagen, dass die Untersuchung zum Teil in einem großen Zeitabstand vom Erstauftreten der Symptome erfolgt sind.

Das ist problematisch, denn die Untersuchungen sind nur in den ersten 24 bis 48 Stunden wirklich sinnvoll. Danach sind mögliche Auffälligkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu erkennen. Berlit kommt daher zum Schluss:

Man muss einfach ein Protokoll haben, wo man sehr früh systematisch Betroffene, die das beklagen, es tritt ja immer wieder auf, untersucht, um da eine Klärung herbeizuführen.

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